von Urs Tiefenauer
Karin und Bryan Patton stehen mit ihrer Barfuss Brauerei in Schönholzerswilen für eine gelebte Bier-Leidenschaft. Sowohl die Produkte wie auch deren Vermarktungsstrategie scheinen von Erfolg gekrönt, wie diverse Awards belegen. Corona hat allerdings auch dem Familienbetrieb der Pattons arg zugesetzt.
In 90 bis 95 Prozent aller Fälle ergab sich vor noch nicht allzu langer Zeit folgende gastronomische Konstellation: Mann und Frau betreten ein Lokal, setzen sich an einen Tisch, bestellen bei Kellner eins ein Mineralwasser (er), beziehungsweise eine Stange Bier (sie). Kellner eins übergibt die Bestellung an Kellner zwei. Kellner zwei serviert in Unkenntnis dessen, wer was bestellt hat. Und jetzt raten Sie, welches Getränk er wem serviert. Erraten! Das Bier steht vor dem Mann, das Wasser vor der Frau, ganz nach dem Klischee: Bier gleich männlich.
Erstaunlich eigentlich, diese Konstellation, war doch Bier – vor allem das Bierbrauen – Jahrtausende lang reine Frauensache. So wie die Hausfrau alle paar Tage Brot backte, so braute sie einmal die Woche auch Bier. Das Hausbier wurde von allen getrunken, denn oft war Bier im Gegensatz zu Wasser durch das Kochen während des Brauprozesses, den Alkohol und den antibakteriell wirkenden Hopfen in der Regel keimfrei und dadurch das sicherste Getränk.

Verborgene Vielfalt
Die Produktion der rund tausend Schweizer Kleinbierbrauereien umfasst zirka zwei Prozent der Schweizer Bierproduktion. Dennoch repräsentieren diese zwei Prozent mehr als 90 Prozent der gesamten Biervielfalt in unserem Land.
Zu diesen Kleinbierbrauereien gehört auch die «Barfuss Brauerei» in Schönholzerswilen, Registrierungsnummer 630, von Karin und Bryan Patton. Dort werden jährlich rund 14 000 Liter Bier zu verschiedenen Premium Craft Beers gebraut. Mit der sogenannten X-Serie, der Experimentierserie, tobt sich Braumeister Bryan so richtig aus und versucht stets wieder Neues.
Bierbrauen in der Küche
Bryan, von Beruf Software-Ingenieur, stammt aus Grand Rapids, mit 60 Brauereien die eigentliche Beer City der USA, in der Grösse vergleichbar mit St. Gallen. Sein beruflicher Weg führte ihn nach St. Gallen, wo er seine heutige Frau Karin, Expertin Anästhesie Pflege NDS, traf. Bryan mochte zwar das Bier in der Schweiz, es fehlte ihm jedoch schlicht die Auswahl. Er wollte nicht nur Lager serviert bekommen, sondern auch mal ein IPA oder ein Amber oder ein Stout.
2002 schenkte ihm seine Frau auf Weihnachten ein eigenes Bierbrau-Kit, und so begann die eigentliche Geschichte der «Barfuss Brauerei», mit 20 Liter pro Sud in der Küche bis hin zur heutigen Kleinbrauerei. Schliesslich liess sich Karin auch von Bryans Bier-Liebe anstecken, indem sie die Ausbildung zur Biersommelière absolvierte. Der Name der Brauerei übrigens ist eine Reminiszenz an die Wegbeschilderung «Barfussweg» vor ihrem Wohnsitz in Wuppenau.
Bierkultur ausweiten
Karin Pattons Ziel ist es, die Schweizer Bierkultur zu bereichern, «damit der Schaden, welcher das 60jährige Kartell den Geschmacksnerven einer ganzen Nation angetan hat, wieder gut gemacht wird und beim Bier endlich eine freie Marktwirtschaft gilt, ohne Knebelverträge und Monopole der Grossen.»
So träumt Karin Patton davon, dass in Schweizer Restaurants nach einer Bierkarte gefragt wird und nicht einfach nach einer Stange. Und dies hat ihrer Meinung nach durchaus ihre Berechtigung. Während es weltweit rund 2500 Weinsorten gibt, sind es beim Bier – wer hätte das gedacht – rund 8000.

Mikrokosmos der Bierbrauer
Mit einzelnen Kleinbrauereien bestehe ein reger Austausch, ebenso mit einigen Brauern in Bryans Heimat Michigan. Und natürlich haben die Pattons auf Reisen ihre Blicke stets auf neue Biergeschichten gerichtet, die sie für ihre Brauerei adaptieren könnten.
Aufräumen möchte Karin Patton mit dem Mythos, dass es reines Frauen- und reines Männerbier geben würde. «Wir braue Bier für Bier-Fans, und die sind männlich wie weiblich!» Und noch ein Irrglaube: Die Weisheit «Wein auf Bier das rat’ ich Dir» werde meist völlig falsch ausgelegt. Dies hätte mit dem sozialen Aufstieg in Zeiten der Griechen und Römer zu tun, indem sich die gehobenere Schicht eher dem Wein als dem Bier hingab.
Braustube und Event-Lokal
Ja, und die kleine Brauerei ist schliesslich nicht nur Braustube, sondern auch Eventlokal. Es finden Lesungen und Musikveranstaltungen im kleinen Rahmen statt und Interessierte können aktiv selber einmal am Brauprozess teilnehmen. Aber genau das fehlte Corona bedingt: Die persönliche Beziehung, der direkte Austausch vor Ort, empathische Momente, glückliche Menschen – Elemente, die für den Erfolg der «Barfuss Brauerei» stehen.
Doch unterkriegen lassen sich die Pattons nicht, sie gehen mit der Zeit – in diesem Jahr zum Beispiel im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums des Frauenstimmrechts mit eine Hommage an die Frau. Eine grössere weibliche Biker-Gruppe hat sich bereits für einen Event angemeldet. So erhoffen sich die Pattons, wie viele andere auch, etwas Normalität zurück, einfach Freiheit zum Leben und gleichzeitig Taktgeber für die «Barfuss Brauerei».

Unternehmerin des Jahres
An der online durchgeführten Business Expo 2020 wurde Karin Patton, die Geschäftsführerin der «Barfuss Brauerei» zur Kleinunternehmerin des Jahres 2020 ausgezeichnet. Nach eigenen Angaben hat die zweifache Mutter die Auszeichnung in der Kategorie Kleinunternehmen besonders auch ihrer Familie zu verdanken: «Mein Mann Bryan braut einfach sehr gutes Bier. Und als Familienunternehmen haben wir auch eine sympathische Grösse, bei der wir alles selber machen und entscheiden können.» Und natürlich ist sie mächtig stolz auf diese Auszeichnung: «Es ist der Beleg, dass wir in der Vergangenheit vieles richtig gemacht haben, insbesondere auch während der Corona-Zeit.»
Karin Patton arbeitet Vollzeit für das eigene Unternehmen. Sie übernimmt dabei sämtliche Aufgaben ausser dem Brauen. Ihre Passion für das Hopfengetränk hat sich Karin Patton erarbeitet – bis sie das «Black Monkey» Stout ihres Mannes probiert hatte, mochte sie kein Bier …
Zum Autor: Urs Tiefenauer ist Inhaber der Text- und Konzept-Werkstatt in Weinfelden
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